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Onlinesucht

Die (v)erkannte Krankheit

Von 60 Millionen Deutschen, die das Internet nutzen, sind lt. wissenschaftlicher Studien 5 – 7 % onlinesüchtig, das sind weit über 2 Mio. Betroffene und es werden täglich mehr!

Etwa zehn Stunden verbringt der normale User jede Woche im Internet. Bei Onlinesüchtigen sind es 60 Stunden und mehr, in denen sie in die virtuelle Welt abtauchen, oft auf der Suche nach dem ultimativen Kick.

Sie nutzen die Angebote der anonymen Welt derart zwanghaft, dass sie dabei alles aufs Spiel setzen: Ehe, Freunde, Job, Gesundheit, Vermögen.

Dark Rooms und andere Welten

Es sind nicht nur einsame Menschen, die beim Dirty Talk, beim Cybersex oder bei Onlinespielen den ultimativen Kick suchen. Umfragen haben festgestellt, dass zum Beispiel 64 Prozent der Voyeure und Lustplauderer verheiratet sind, oder in einer festen Beziehung leben. Im Internet-Chat ist jeder der Charakter, der er gern sein möchte. Man(n) bzw. Frau experimentiert ohne reale Risiken, ohne Angst, neue Beziehungen zu knüpfen. Eine Scheinwelt, die man mit anderen teilt. Die leichter zu beherrschen ist, als das „normale“ Leben und mit ihren schillernden Faszinationen den grauen Alltag überdeckt. Suchtgefährdet, so sagen die Experten, ist jeder, den auch stoffliche Drogen gefährden. Schon wer raucht oder unkontrolliert Alkohol trinkt, birgt in sich ein höheres Potential auch Onlinesüchtig zu werden.

Der Reiz der freien Gedanken

In der Tat hat es einem besonderen Reiz, auf die innere Sehnsucht eines anderen Menschen nach einem freien und vorbehaltlosen Austausch von Gedanken und Phantasien einzugehen. Und im Chat ist einfacher über seine eigenen Wünsche und Träume zu sprechen, als im Bistro nebenan. Was in der Realität nicht mehr selbstverständlich ist, klappt im Internet. Unter den Millionen Usern findet man immer jemanden, dem man ohne Angst vor Ablehnung, Scham oder Rücksicht auf Äußerlichkeiten „begegnen“ kann. Mann oder Frau tippen in die Tasten, was sie sonst nicht aussprechen würden. Wird das einmal nicht akzeptiert, kann man mit einem simplen Logout wieder in der Anonymität verschwinden und mit einem anderen Nicknamen oder einem anderen Charakter einen neuen Versuch starten.

Der Teufelskreis der Onlinesucht beginnt, wenn man im Internet mehr Zuhörer, Verständnis und Anerkennung findet, als in der realen Welt. Dann bricht langsam aber sicher das soziale Umfeld zusammen und wird gegen den scheinbar adäquaten virtuellen Ersatz ausgetauscht.

Die Warnzeichen

Außer für den Betroffenen selbst sind die Warnzeichen einer beginnenden Onlinesucht leicht zu erkennen:

  • Einladungen werden nicht mehr wahrgenommen.
  • Das Familienleben oder die Treffen mit dem Liebespartner verlieren rasant an Bedeutung.
  • Besuch wird an der Tür aus allen möglichen Gründen abgewiesen.
  • Für stundenlanges Sitzen am Computer gibt es fadenscheinige Ausreden, wie „Ich muss nur eben noch mal meine Emails checken“.
  • Statt einem Gespräch zu folgen, wirkt der Online-Süchtige oberflächlich, uninteressiert und unruhig. Er sitzt auf heißen Kohlen, weil er so schnell als möglich wieder in den Cyberspace will.

Im Internet findet man Informationen, erlebt Faszinationen und begegnet Phantasien oder Neigungen, von denen „unerfahrene“ Freunde, Kollegen oder Bekannte nicht einmal zu träumen wagen. Das schafft ein Gefühl der Überlegenheit, mit dem sich der Betroffene gegenüber seinem alten Umfeld sogar ein wenig „elitär“ fühlen darf. Ist seine Welt das Internet, sind die Menschen außerhalb weltfremd. Sie haben nicht erlebt, was er erlebt hat. Worüber also soll man in der „alten Welt“ also überhaupt noch reden?

Bin ich onlinesüchtig?

Bitte beantworten Sie für sich die folgenden Fragen, um typische Anzeichen der Onlinesucht zu erkennen:

  • Das Internet beschäftigt mich; ich denke daran, auch wenn ich offline bin.
  • Ich brauche immer mehr Zeit im Internet, um zufrieden zu sein.
  • Ich bin unfähig, meinen Internet-Gebrauch zu kontrollieren.
  • Ich werde unruhig und reizbar, wenn ich versuche, meinen Internetkonsum einzuschränken oder darauf zu verzichten.
  • Das Internet ist für mich ein Weg, um vor Problemen zu fliehen oder schlechtes Befinden (Hilflosigkeits- oder Schuldgefühl, Angst, Depression) zu bessern.
  • Ich lüge meiner Familie oder Freunden gegenüber, um das Ausmaß meiner Beschäftigung mit dem Internet zu verbergen.
  • Ich habe schon Arbeit, Ausbildungs- oder Karrieremöglichkeiten oder zwischenmenschliche Beziehungen wegen des Internets in Gefahr gebracht.
  • Ich gehe ins Netz, auch wenn ich exzessive Gebühren zahlen muss.
  • Ich bekomme im Offline-Zustand Entzugserscheinungen.
  • Ich bleibe immer wieder länger online, als ich mir vorgenommen habe.

Wenn Sie sich in einigen Aussagen wiedererkennen können, sollten Sie sich Gedanken über die Hilfe eines Therapeuten oder einer Selbsthilfegruppe machen.

Was können Angehörige tun?

Wie ein Alkoholiker lassen sich auch Online-Süchtige jede Menge einfallen, um Ihre Krankheit – und darum handelt es sich – vor ihrem Umfeld zu verbergen. Sie wechseln nicht nur sekundenschnell das Monitorbild, wenn sich Schritte nähern. Sie klagen sogar vor den vom plötzlichen Schaffensdrang beeindruckten Lebensgefährten über die immer mehr zunehmende „Arbeit“ am Computer. Ohne es zu Wissen, werden Sie von ihren Lebens- und Liebespartnern sogar in ihrem Suchtverhalten sogar noch unterstützt, indem diese ihnen den Rücken frei halten, vor störenden Anrufen, vor Einkaufsgängen, Spaziergängen mit dem Hund oder ungebetenen Gästen. Haben Sie die genannten Verhaltensmuster bei einem Angehörigen oder Freund bemerkt, sollten Sie behutsam vorgehen:

  • Machen Sie keine Vorwürfe, die den Betroffenen nur weiter von Ihnen entfernen würden.
  • Bitten Sie darum, Ihnen in einem offenen Gespräch zu erklären, was er im Internet sucht oder findet. Machen Sie das in ruhiger und entspannter Atmosphäre aber bitte nicht zu einem Zeitpunkt, in dem sich der Betroffene gerade (mal wieder) einloggt.
  • Wenn Sie sich selbst in der Partnerschaft ausgegrenzt oder überflüssig fühlen, sprechen Sie das klar und deutlich an. Reden Sie aber bitte nur von Ihren eigenen Gefühlen!
  • Besuchen Sie im Zweifel auch allein – wenn möglich aber mit dem Betroffenen – eine Selbsthilfegruppe, die sich auf Onlinesucht spezialisiert hat.
  • „Ernähren“ Sie den Betroffenen oder die Betroffene nicht vor dem Computer. Bitten Sie zu den Mahlzeiten stattdessen an den gemeinsamen Tisch. Servieren Sie auch keine Getränke oder Zigaretten am PC. Leeren Sie nicht den Aschenbecher und räumen dort nicht auf.
  • Laden Sie Freunde ein, ohne bei diesen Gelegenheiten über die Onlinesucht zu sprechen. Zeigen Sie, dass auch das reale Leben Spaß macht.

Was können Sie sonst tun?

Wenn Sie zu ihrem onlinesüchtigen Partner keinen Zugang mehr finden, denken Sie auch an sich selbst:

  • Verabreden Sie sich mit Freunden oder Bekannten und gehen allein aus. Den Babysitter weisen Sie an, den Online-Süchtigen gar nicht zur Kenntnis zu nehmen.
  • Drohen Sie nicht mit Trennung, wenn Sie das auch nicht so meinen. Oft ist ein Abstand, vielleicht ein kurzer Urlaub, auch für den Internet-Junkie ein Anstoß zum Nachdenken.
  • Zeigen Sie, wie viel Spaß Ihnen das reale Leben macht. Gehen Sie Shoppen, zum Friseur oder gönnen sich eine Massage.
  • Verschicken Sie gelegentlich einen virtuellen Kuss (:-x) per E-Mail, mit dem Hinweis, wie gern Sie einen realen Kuss hätten. Am besten, bevor Sie das Haus verlassen.
  • Stellen Sie ein Bild von sich neben den Rechner mit einem kleinen Zettel, dass Sie (noch) ganz nah und ganz real da sind.

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